Und was unternimmst du so?
So werden Sie Ihr eigener Chef: Was Architekten und Bauingenieure vor der Existenzgründung wissen müssen. Ein Überblick.
Wer ist eigentlich Unternehmer? Gibt es den typischen Existenzgründer? Was bedeutet „scheinselbständig“? Dieser Beitrag soll Fragen aufwerfen, auf die freie Mitarbeiter und andere Existenzgründer im Baubereich eine Antwort haben sollten.
Es will einfach nicht klappen mit einer Anstellung, vielleicht weil Sie eine Teilzeitstelle suchen und keine finden. Oder Sie an eine bestimmte Region gebunden sind, weil Sie Familie haben oder einen Angehörigen pflegen müssen. Vielleicht sind Sie aber auch einfach eine freiheitsliebende Persönlichkeit, die Arbeitszeit und Arbeitsort gerne selbst bestimmt. Möglicherweise können Sie etwas, was andere nicht können, oder das Büro, in dem Sie während des Studiums gejobbt haben, schlägt Ihnen eine freie Mitarbeit vor. Erkennen Sie sich in einem der Punkte wieder? Dann lesen Sie weiter.
Freie Mitarbeiter sind Subunternehmer
Planungsbüros beschäftigen oft „freie Mitarbeiter“. In diesem Zusammenhang taucht häufig die Frage auf, ob diese tatsächlich selbständig oder doch als Arbeitnehmer tätig sind. Die Beurteilung hat schon so manchem Gericht Kopfzerbrechen bereitet. Die Entscheidung, ob selbständig oder nicht, hat vor allem sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen. Per Definition sind diejenigen selbständig, die zum Beispiel ein eigenes unternehmerisches Risiko tragen, für mehrere Kunden arbeiten und nicht weisungsgebunden bezüglich Art, Dauer, Zeitpunkt, Ort und Durchführung der Arbeitstätigkeit sind. Das ist oft der Fall, wenn zwischen dem Büro und dem freien Mitarbeiter ein Werkvertrag geschlossen wird. Wie und wann das Werk vollbracht wird, bleibt dem Mitarbeiter überlassen. Dabei hat der jedoch alle Rechte und Pflichten eines Unternehmers – nicht alle „Freien“ sind sich dessen bewusst. Für die Richtigkeit ihrer Arbeit sind sie selbst verantwortlich und können sogar dafür haftbar gemacht werden.
Manchmal wird aber auch ein Dienstvertrag geschlossen. Dann schulden freie Mitarbeiter dem Büro ihre Arbeitskraft, die pauschal oder auf Stundenbasis honoriert wird. Wenn sie dazu nur für ein einziges Büro tätig sind und die Arbeitszeit vorgeschrieben ist, beispielsweise jeden Tag von 8 Uhr bis 12 Uhr, geht der Status der Selbständigkeit verloren. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Scheinselbständigkeit“. Dann stehen freien Mitarbeitern die gleichen Rechte wie einem Angestellten zu, das heißt, im Zweifelsfall haften sie nicht für die Qualität ihrer Arbeit, haben Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und es müssen Lohnsteuern und Sozialversicherungen für sie abgeführt werden. Für das Büro ist es natürlich lukrativer, mit einem Selbständigen zusammenzuarbeiten, denn dann fallen sämtliche sozialen Leistungen sowie der Kündigungsschutz weg. Wenn Sie als freier Mitarbeiter anfangen, sollten Sie diese Fragen offen ansprechen und mit Ihrem Chef eine für beide Seiten saubere Lösung finden.
Interview: Wer ist ein Unternehmer-Typ
Wie würden Sie den idealen Gründer beschreiben?
Markus Sterl-Stürzer: Einen qualifizierten Gründer erkenne ich am Grad seiner Selbstreflexion, ob er diese oder ähnliche Fragen stellt: Wo liegen meine Stärken? Was motiviert mich zur Selbständigkeit? Auch: Wo liegen meine Schwächen? Wer darauf Antworten hat, die zur Gründungsidee passen, bringt ideale Voraussetzungen für eine Gründung mit.
Welche Eigenschaften machen einen guten Unternehmer aus?
Markus Sterl-Stürzer: In Beratungsgesprächen nutze ich gerne das Bild der „eierlegenden Wollmilchsau“, das heißt, ein Unternehmer muss sich mit vielen verschiedenen Bereichen beschäftigen. Neben der fachlichen Ebene brauchen Selbständige ein solides Grundwissen in steuerlichen und rechtlichen Fragen und sollten fit sein in der Kundenakquise. Da Selbständige in der Regel kein leichtes Leben führen, sollten sie natürlich Ehrgeiz mitbringen und Spaß an der Arbeit haben.
Welche typischen Anfängerfehler machen Existenzgründer?
Markus Sterl-Stürzer: Die Verzettelungsgefahr ist sehr groß. Natürlich freut man sich über seinen ersten Auftrag, viele vergessen darüber aber, für die Zukunft neue Aufträge zu akquirieren. Wichtig ist auch, erst einmal alle formalen Schritte bei der Gründung abzuarbeiten – von der Anmeldung beim Finanzamt über die Finanzierung bis zur Meldung bei der Kammer. Nur so lassen sich böse Überraschungen vermeiden – gerade in finanzieller Hinsicht.
Welche Beratungsstellen empfehlen Sie?
Markus Sterl-Stürzer: Die Architekten- und Ingenieurkammern bieten Beratungsgespräche und Seminare für Existenzgründer an. Ansonsten kann ich die Gründungsberatung bei Wirtschaftsberatern empfehlen, die sich auf Bau und Architektur spezialisiert haben. Solche Beratungsgespräche werden vom Staat bis zu 70 Prozent bezuschusst. (Das Interview führte Ute Schroeter)
Sind Sie ein Unternehmer-Typ
Unternehmer müssen’s wissen wollen
Eine lange Kette an Regeln, Gesetzen, Rechten und Pflichten ziehen die Begriffe „Existenzgründung“ und „Selbständigkeit“ nach sich. Das Thema füllt Bücherregale und Tausende von Internetseiten. Wer sich eine dauerhafte und erfolgreiche Existenz aufbauen möchte, muss es mit einer Vielzahl an Begriffen aufnehmen und sich in juristischen, steuerlichen und kaufmännischen Dingen einen gewissen Durchblick erarbeiten, selbst wenn Sie „nur“ als freier Mitarbeiter an Wettbewerben mitarbeiten oder Zeichenarbeiten anbieten. Das klingt zunächst ziemlich abschreckend, vor allem wenn man fachlich noch ganz am Anfang steht. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Allein die Tatsache, dass Sie bis zu dieser Stelle gelesen haben, katapultiert Sie auf den richtigen Weg. Denn eine solide Gründung fußt nicht etwa auf den passenden Antworten, sondern viel einfacher: auf den richtigen Fragen. Was will ich eigentlich? Was kann ich? Was kann ich nicht? Dieses Kapitel enthält keinen vollständigen Leitfaden für eine Existenzgründung und stellt keinen Ersatz für eine eingehende individuelle Beratung oder den Besuch eines Existenzgründungsseminares dar. Zu vielfältig sind die Gründungsideen, außerdem gelten in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Regelungen. Doch es wird Ihnen helfen, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen und damit das Fundament für eine Kleingründung zu legen
Sind Sie ein Unternehmertyp?
„Mein Chef, das bin ich.“ Schön, wenn man das von sich behaupten kann. Niemand kann einen vor die Tür setzen, keiner beschwert sich über zu lange Kaffeepausen. Wenn das Wetter schön ist, nimmt man sich frei und arbeitet einfach am Abend weiter. Mütter und Väter sind, was die Kinderbetreuung angeht, wesentlich flexibler als Angestellte. Die Selbständigkeit also ein Traumjob? Durchaus, wenn, ja wenn sich nicht die ganzen Nachteile unter die Vorteile mischen würden: Ein hohes Arbeitspensum in auftragsstarken Zeiten, in denen man nicht weiß, wo einem der Kopf steht, wechselt sich mit sorgenvollem Blick aufs Geschäftskonto in ruhigen Phasen ab, der einen vor lauter Sorge um die nächste Stromrechnung auch nicht ruhig schlafen lässt. Streitereien mit Auftraggebern, meistens übers Honorar, und die dürftige Zahlungsmoral im Planungssektor reiben die Nerven blank. Unternehmer müssen sich zudem bewusst sein, dass sie die volle Verantwortung für ihre Projekte tragen. „Menschen, die arbeiten, machen Fehler. Menschen, die nicht arbeiten, machen keine Fehler“, heißt es gemeinhin. Daher sei an dieser Stelle bereits betont: Jeder selbständige Planer braucht eine Berufshaftpflichtversicherung.

Steht Ihre Familie hinter Ihnen?
Als Freiberufler führen Sie nicht gerade ein leichtes Leben, genauso wenig wie Ihre Familie und Ihre Freunde. Die werden zeitweise auf Sie verzichten müssen. Die finanzielle Berg- und Talfahrt kann einen Ehepartner zur Verzweiflung bringen und das Lamentieren über die „schlecht laufenden Geschäfte“ mögen Ihre Lieben irgendwann auch nicht mehr hören. Sprechen Sie also mit den Personen, die Ihnen nahestehen, über Ihr Vorhaben und welche Unannehmlichkeiten dies mit sich bringen wird. Ihre Angehörigen werden Ihnen eher den Rücken stärken, wenn Sie nicht alles allein mit sich ausmachen.
Geschäftsideen: Zeichnen, Planen, Ausschreiben
Viele Freiberufler haben sich nie Gedanken über eine Geschäftsidee gemacht, sondern sind eher zufällig in die Selbständigkeit geraten, sei es über einen Bekannten, einen befreundeten Architekten oder über das Ingenieurbüro, in dem sie als studentische Hilfskraft gearbeitet haben. Als Berufseinsteiger ist es ohnehin unwahrscheinlich, dass Sie gleich mit einem ganzen Projekt beauftragt werden, denn Ihnen fehlt ja noch die Bauvorlageberechtigung, das heißt, Sie können Baupläne noch nicht freizeichnen. Natürlich steht es Ihnen frei, auch ohne Bauvorlageberechtigung planerische Dienstleistungen anzubieten, zum Beispiel Zeichnungen erstellen, an Ausschreibungen mitarbeiten, zu bestimmten Detailplanungen recherchieren oder Abrechnungen für Ihre Auftraggeber prüfen.
Sanft in die Selbständigkeit
Tagsüber angestellt, abends und am Wochenende selbständig über Projekten brüten. Anstrengend, aber eine recht sichere und sanfte Methode, in die Selbständigkeit zu gleiten. Zumindest haben die nebenberuflich Selbständigen keine finanziellen Sorgen, da das monatliche Gehalt unabhängig von der Auftragslage fließt. Rein rechtlich ist die Existenzgründung nebenbei möglich, allerdings muss der Arbeitgeber seine Zustimmung dazu geben, diese kann er andererseits auch verweigern.
Einstieg in ein bestehendes Büro
Existenzgründung heißt nicht unbedingt, ganz von vorne anfangen zu müssen. Architekten und Bauingenieure haben auch die Möglichkeit, in ein bestehendes Büro als Mitinhaber einzusteigen oder die Nachfolge des Inhabers anzutreten. Das geht auch ohne verwandtschaftliche Beziehungen. Der Einstieg in ein bestehendes Büro hat einige Vorteile: Neben einer vorhandenen Infrastruktur kann ein Nachfolger meist auch die Mitarbeiter und den Kundenstamm übernehmen. Das heißt jedoch nicht, dass der neue Betriebsinhaber die Hände in den Schoß legen kann. Die Entscheidung, ob die Kunden dem Büro treu bleiben oder aufgrund des Führungswechsels doch lieber das Weite suchen, ist stark vom Engagement des oder der „Neuen“ abhängig. In vielen Fällen fängt der Nachfolger als Angestellter an, um in das Büro hineinzuwachsen. Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist die nexxtchange Unternehmensbörse (www.nexxt-change.org). Hier finden Interessenten unter der Rubrik „Freie Dienstleistungen“ Inserate von Planungsbüros, die einen Nachfolger oder Käufer suchen. (Ute Schroeter)
Interview: Frei oder angestellt?
Ist ein freier Mitarbeiter eigentlich Angestellter oder Unternehmer?
Dr. Cornelia Stapff: Freie Mitarbeiter sind Subunternehmer, sie arbeiten auf eigene Rechnung und eigenes Risiko und müssen sich selbst versichern.
Ist das jedem so klar?
Dr. Cornelia Stapff: Nein, gerade in Architekturbüros ist vielen die Abgrenzung nicht bewusst. Viele Inhaber sind der Ansicht, dass die Tatsache, dass der freie Mitarbeiter für mehrere Architekten tätig ist, ausreicht, damit die freie Mitarbeit anerkannt wird. Das ist aber nicht richtig.
Woran erkennt man eine Scheinselbständigkeit?
Dr. Cornelia Stapff: Selbständig ist nur, wer seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Sobald freie Mitarbeiter weisungsabhängig sind, sie Urlaub beantragen und zu einer bestimmten Tageszeit anwesend sein müssen, besteht ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis zwischen Büro und Mitarbeiter. Auch ein fester Arbeitsplatz, eine Büronummer und E‑Mail-Adresse mit Domain des Auftraggebers lassen auf eine Scheinselbständigkeit schließen. Ein weiteres Indiz für eine Scheinselbständigkeit ist die Tätigkeit nur für einen Auftraggeber.
Welche Konsequenzen hat es, wenn sich eine freie Mitarbeit als Scheinselbständigkeit entpuppt?
Dr. Cornelia Stapff: Die Frage, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht, wird von der Deutschen Rentenversicherung geprüft. Nach meinen Erfahrungen tendiert die Behörde mehr und mehr dazu, freie Mitarbeiter als Arbeitnehmer einzustufen. Unangenehm wird es vor allem für den Auftraggeber. Dieser muss nicht nur sämtliche Sozialversicherungsbeiträge zurückzahlen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen fürchten. Ärgerlich ist das aber auch für den freien Mitarbeiter, der möglicherweise Umsatzsteuern zurückzahlen oder anstelle einer Einkommensteuererklärung nun eine Lohnsteuererklärung abgeben muss.
Wie können freie Mitarbeiter ihren Status als Selbständige sicherstellen?
Dr. Cornelia Stapff: Wichtig ist, nach außen konsequent als Unternehmer aufzutreten. Dazu gehören eigene Visitenkarten, eventuell eine Homepage, eigenes Arbeitsmaterial, wie Software und Laptop, und ein eigener Arbeitsplatz. Das kann der Schreibtisch zu Hause sein, aber auch ein gemieteter Arbeitsplatz. Das muss allerdings in Form eines Mietvertrages dokumentiert werden. Wichtig ist auch, mehrere Auftraggeber zu haben. Hunderprozentige Rechtssicherheit bietet allerdings nur ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der deutschen Rentenversicherung, das spätestens drei Monate nach Beginn der Tätigkeit zu stellen ist. (Das Interview führte Ute Schroeter)
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