Klug verhandeln – leicht verdienen
Was ist die eigene Leistung wert? Diese Frage steht bei jeder Bewerbung im Raum. Bei Gehaltsfragen spielen verschiedene Faktoren wie Berufserfahrungen oder Firmengröße eine Rolle. Unsere Tipps helfen Dir bei der „Wertermittlung“
Bevor es um Zahlen geht, eine wichtige Info vorweg: Wenn Du mit Deinem Arbeitgeber über das Gehalt reden, geht es immer um das Jahresgehalt. Warum? Wenn Du ein Auto kaufst, möchtest Du den Preis erfahren. So geht es einem Arbeitgeber auch. Das Jahresgehalt spiegelt den „Preis“ Deiner Arbeitskraft am besten wider. Es enthält sämtliche Bestandteile, aus denen sich Dein jährliches Arbeitseinkommen zusammensetzt. Dazu zählen ein fester Anteil aus Steuern, Versicherungen und Nettogehalt sowie ein möglicher variabler Anteil aus Sonderzahlungen wie ein 13. Monatsgehalt, Arbeitnehmersparzulagen, Urlaubsgeld, Dienstwagen, Firmenbeteiligungen und andere geldwerte Vorteile. Im sogenannten Monatsgehalt ist kein variabler Anteil enthalten, daher eignet es sich nicht für die Gehaltsverhandlung. Bitte auch niemals ein Nettogehalt angeben. Da es von Deine persönlichen Lebensumständen abhängt, hat es für die Gehaltsverhandlung keine Aussagekraft. Bei den im Folgenden genannten Gehältern handelt es sich um Jahresgehälter, in denen der variable Anteil bereits enthalten ist. Eine Ausnahme bilden die Angaben zu den Tarifgehältern. Diese sind aus den Monatsgehältern ohne Zulagen errechnet. Wer sich an Tarifgehältern orientieren möchte, kann also noch eine Schippe für Zulagen drauflegen.
Welche Faktoren das Gehalt beeinflussen
Laut absolventa.de erhalten Architekten in den ersten Berufsjahren ein Jahresgehalt von durchschnittlich knapp 34.000 Euro, Bauingenieure bekommen fast 42.000 Euro. Die Gehälter für Berufseinsteiger im Planungs- und Bauwesen schwanken zwischen 26.000 und über 36.000 Euro im Jahr. Bewerber, die sich auf dieser Bandbreite nicht richtig einzuordnen wissen, verkaufen sich entweder unter Wert oder werden als realitätsfern abgestempelt. Wer das richtige Maß finden will, muss die Einflussfaktoren auf die Höhe des Gehalts kennen. Die wichtigsten sind: Berufserfahrung, die Größe der Firma, der Arbeitgeber – also Baugewerbe oder Planungsbüro – und die Region.
Grafik: Einflussfaktoren auf das Gehalt von Architekten und Bauingenieuren
Faktoren: eigene Berechnungen,
Datengrundlage Firmengröße/Berufserfahrung: Personalmarkt.de,
Arbeitgeber: Hommerich Forschung,
Abschluss/Region: Berufsstart.de
Faktor Firmengröße
Mit zunehmender Firmengröße steigt das Gehalt für Architekten und Bauingenieure, wie eine Auswertung von Personalmarkt.de zeigt. Mittelgroße Firmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern zahlen für Bauingenieure fast 15 Prozent, Großunternehmen sogar ein Drittel mehr als kleine Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern. Bei Architekten ist der Unterschied noch gravierender – sie können in mittelgroßen Firmen fast ein Drittel, in Großkonzernen sogar gut die Hälfte mehr verdienen als in Kleinunternehmen.
Faktor Berufserfahrung
Ähnlich verhält es sich mit der Berufserfahrung. Nach drei Jahren erhöht sich das Durchschnittsgehalt bei beiden Berufsgruppen um ca. 15 Prozent. Nach zehn Jahren verdienen Bauingenieure etwa ein Drittel mehr als am Anfang, bei Architekten schlägt die Berufserfahrung mit 40 Prozent Gehaltssteigerung zu Buche. Je mehr Berufserfahrung Sie vorweisen können, umso wertvoller ist Ihre Arbeitskraft. Der Job als Werkstudent im Ingenieurbüro ist also echt Gold wert.
Faktor Arbeitgeber
Das Forschungsinstitut Hommerich befragt regelmäßig Mitglieder aller deutschen Architektenkammern nach ihrer Vergütung. Am Beispiel Bayern zeigt sich, wie unterschiedlich die verschiedenen Arbeitgeber ihre Angestellten vergüten. Am wenigsten kann man demnach in Architektur- und Planungsbüros verdienen, der öffentliche Dienst bietet ein Viertel mehr, Spitzengehälter zahlt die gewerbliche Wirtschaft. Bauleiter in einem Bauunternehmen können 50 Prozent mehr verdienen als die Kollegen im Planungsbüro.
Faktor Region
Laut Hommerich gelten die Abstufungen bezüglich des Arbeitgebers für alle Bundesländer, wobei es starke regionale Gehaltsunterschiede gibt. Nach seinen Berechnungen verdienen Architekten in einem Planungsbüro in Hamburg, Rheinland-Pfalz oder Hessen ein Drittel mehr als in Sachsen-Anhalt, im Saarland oder in Brandenburg. Auf Grundlage von Ingenieur-Einstiegsgehältern nennt die Internetseite berufsstart.de ein Gehaltsgefälle zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Bayern von fast 50 Prozent, auch in Niedersachsen und Baden-Württemberg werden 40 Prozent mehr verdient als in den neuen Bundesländern.
Faktor Studienabschluss
Nach einer Auswertung von berufsstart.de erhalten Absolventen mit einem Masterabschluss knapp 15 Prozent mehr Gehalt als mit Bachelorabschluss, der öffentliche Dienst legt für einen Master sogar 20 Prozent drauf. Zwischen Master und Diplom unterscheiden Arbeitgeber offenbar kaum noch, der Gehaltsunterschied beträgt gerade einmal zwei Prozent; genauso wenig scheint sich ein Universitätsmaster gegenüber einem Fachhochschulmaster gehaltssteigernd auszuwirken. Hinsichtlich guter Zensuren sprechen manche Studien von 15 Prozent mehr Gehalt bei einem Superzeugnis. Da viele Arbeitgeber gar nicht auf Noten, sondern rein auf Berufserfahrung schauen, sollte man den Faktor allerdings nicht überbewerten. Sie können ihn aber im Verhandlungsgespräch als Trumpf benutzen; Gleiches gilt für eine kurze Studiendauer.
Gutes Maß: Tarifgehälter
Berufseinsteiger, die nach Tarif bezahlt werden, können sich glücklich schätzen, denn Tarif-Einstiegsgehälter liegen oft deutlich über den frei verhandelten Gehältern. Nur wenige Arbeitgeber, hierzu zählen der öffentliche Dienst oder große Bauunternehmen, sind jedoch an Tarifverträge gebunden. Der Vertrag regelt neben der Höhe des Gehalts auch den Urlaubsanspruch, Kündigungsfristen und Sonderzahlungen. Besonders im Architekturbereich werden die Gehälter in der Regel frei verhandelt. Trotzdem sollten Sie sich in Sachen Tarifgehälter schlau machen, denn viele nicht-tarifgebundene Arbeitgeber, auch Planungsbüros, orientieren sich an ihnen. In manchen Stellenausschreibungen heißt es „Wir zahlen nach Tarif“ oder sogar „übertariflich“. Auch zeigen Sie Ihrem potenziellen Arbeitgeber, dass Sie recherchiert und Ihre Gehaltsforderungen an real gezahlten Gehältern ausgerichtet haben.
Die deutsche Tariflandschaft ist unübersichtlich und verwirrend, es gibt hierzulande 73.000 Tarifverträge. Man unterscheidet zwischen Flächentarifverträgen, die für die Beschäftigten ganzer Branchen gelten, und Firmen- bzw. Haustarifverträgen für Mitarbeiter in großen Unternehmen. Konzerne wie die Deutsche Bahn haben zum Beispiel einen Haustarifvertrag. Tarifverträge werden zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossen. Am Verhandlungstisch sitzen in der Regel Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer, für die Arbeitgeber spricht meist ein spezieller Arbeitgeberverband. Jeder will für seine Partei das Beste herausholen, daher ziehen sich Tarifvertragsverhandlungen manchmal über Monate hinweg. Am Ende eines zähen Gerangels steht ein Kompromiss, der beiden Seiten einigermaßen gerecht wird – auch wenn die jeweiligen Verhandlungsführer natürlich das Gegenteil behaupten.

Tarifverträge für Architekten und Bauingenieure
Der „Tarifvertrag für Architektur‑, Ingenieur- und Planungsbüros“ wurde zwischen dem Arbeitgeberverband selbständiger Ingenieure und Architekten (ASIA) und der Gewerkschaft ver.-di geschlossen. Der jüngste Gehaltstarifvertrag ist seit dem
1. August 2019 gültig. Berufseinsteiger in der Gehaltsklasse T4 bekämen danach im ersten Jahr 38.028 Euro. Die Gehaltsklasse T3 ist für Mitarbeiter ohne Hochschulabschluss, damit würden Berufsanfänger gut 32.208 Euro pro Jahr verdienen. Zulagen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld kommen noch hinzu. In diesem Tarifvertrag ist beispielsweise eine Sondervergütung von 30 Prozent bei mindestens elfmonatiger Betriebszugehörigkeit vereinbart.
Der zweite wichtige Tarifvertrag ist der „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst TVöD“, in dem auch die Gehälter der technischen Angestellten festgelegt sind. Es gibt keine regionalen Unterschiede, auch nicht zwischen West und Ost, dafür beeinflusst der Studienabschluss die Höhe des Gehalts. Absolventen mit Masterabschluss werden in der Regel in Entgeltgruppe 13 eingeordnet und verdienen nach dem geltenden Tarifvertrag von 2020 rund 48.000 Euro im ersten Jahr, Bachelorabsolventen müssen sich mit Entgeltgruppe 10 begnügen und erhalten etwa 43.700 Euro. Gehälter für Bauleiter sind unter anderem im „Tarifvertrag für Angestellte und Poliere des Baugewerbes TV Gehalt/West“ festgelegt. Er gilt nur für die alten Bundesländer (außer für Bayern und Berlin) und wurde zwischen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt geschlossen. Berufsanfänger in Tarifgruppe A5 mit Bachelorabschluss erhalten knapp 43.700 Euro, in Tarifgruppe A6 mit Masterabschluss verdient man rund 48.600 Euro.
Gehaltsunterschiede wegen des Geschlechts?
N icht gerecht, aber eine Tatsache: Frauen bekommen weniger Gehalt als Männer. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung liegt das Einkommen von Ingenieurinnen um 17 Prozent niedriger als bei männlichen Kollegen. Das Gehaltsgefälle lasse sich nicht durch die Vereinbarkeitsproblematik oder durch Unterschiede in Verantwortung oder Aufgabenstellung erklären, betonen die Forscher. Verglichen wurden nur Vollzeittätigkeiten mit gleichwertiger Qualifikation und Berufserfahrung. Gibt es ihn also – den Frauenabschlagsfaktor? Ein hoher Vertreter vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie ließ noch vor wenigen Jahren in einem Interview mit TALIS wissen, dass man „notfalls“ auch Frauen einstellen würde, wenn keine Männer verfügbar seien. Der Tonfall klang nach Restaurantbesuch, bei dem man eben das labberige Schnitzel bestellt, wenn das Hüftsteak gerade aus ist. Sicherlich gibt es sie noch – die konservativen Knochen, die einem Bauleiter mehr als einer Bauleiterin zutrauen und sie deshalb unterschiedlich entlohnen. Sie sind jedoch stark vom Aussterben bedroht. Die Annahme, Arbeitgeber in der Bauwirtschaft würden ihren Mitarbeiterinnen weniger Gehalt zahlen, nur weil sie Frauen sind, lässt sich ohnehin nicht beweisen und führt zudem kaum zu mehr Einkommensgerechtigkeit.
Frauen sagt man nach, sie seien bescheidener und weniger fordernd als Männer. Darin liegt vermutlich der Schlüssel für die ungleichen Gehälter. Gehaltsverhandlungen sind eine Art Pokerspiel, man kann gewinnen und verlieren. Verlieren nehmen Männer sportlich, Frauen persönlich. Daher unser Rat an alle Architektinnen und Bauingenieurinnen: Pokere mit, und zwar immer vom obersten Limit herab. Recherchiere, welche Gehälter wer wo zahlt. Nimm immer das Maximum als Verhandlungsbasis oder versuche es mit Tarifgehältern, die oft höher liegen als der Durchschnitt. Natürlich wird man versuchen, Dein Gehalt herunterzuhandeln. Das ist Teil des Spiels. Habgier aber – vor diesem Vorwurf fürchten sich viele Frauen – kann man Dir mit diesen Zahlen nicht unterstellen, denn Du stützt Deine Gehaltsforderungen auf tatsächlich gezahlte Gehälter.
Was Sie sonst noch wissen sollten …
Natürlich möchte jeder für gute Leistungen auch entsprechendes Geld verdienen. Als Berufsanfänger aber solltest du dich weniger am Kontostand, vielmehr am persönlichen und beruflichen Fortkommen orientieren. Frag daher: Was lerne ich hier? Welche Angebote bekomme ich, die mein Gehalt zwar rein zahlenmäßig nicht in die Höhe treiben, aber dennoch wertvoller sind als Geld? Erhalte ich die Möglichkeit, mich weiterzubilden? Bringt mir mein Vorgesetzter Respekt entgegen? Werde ich solide eingearbeitet? Wichtig auch: Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Ein hohes Gehalt nützt Dir wenig, wenn Du nach einem halben Jahr wieder gehen müssen. Welchen Stellenwert genießt Dein Privatleben? Kann Dein Arbeitgeber akzeptieren, dass es Feierabend und Urlaub ohne Arbeit gibt und dass Familie und Beruf einander nicht ausschließen? Welchen Wert Du diesen einzelnen Faktoren beimisst, müssen allein Du entscheiden. Es lohnt sich jedoch, sie einzukalkulieren. Du kannst dir sicher sein, dass ein vernünftiger Arbeitgeber Dich bei guten Leistungen nicht ziehen lassen wird. Vor diesem Hintergrund ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis sich der Lohn für gute Arbeit auch auf den Kontostand auswirkt. (Ute Schroeter)
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