Jam­mern zu Coro­­na-Zei­­ten erlaubt?

Eigent­lich geht’s uns gut. Die meis­ten von uns haben ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und sind gesund. Dür­fen wir also ange­sichts der Anti-Coro­na- Maß­nah­men über­haupt kla­gen, uns beschwe­ren, meckern? Der Ver­such einer Antwort.

Von Ute Schroeter

Müde sein – das darf man. Wir sind alle müde. Coro­na, das Cha­os um Astra Zene­ca, Schu­le auf, Schu­le zu, die läs­ti­gen Mas­ken. Mitt­ler­wei­le fällt es schwer, der Kri­se noch etwas Posi­ti­ves abzu­ge­win­nen. Natür­lich gibt es immer jeman­den, dem es noch schlech­ter geht als einem sel­ber. Und natür­lich sind die vie­len Spa­zier­gän­ge schön und die Aben­de am Kamin, das Wochen­en­de mit­ten in der Woche, wenn am nächs­ten Tag die Kin­der im Home­schoo­ling sind. Aber haben wir nicht auch mal das Recht sau­er und rich­tig „ange­pisst“ zu sein, auch wenn wir wis­sen, dass es wei­ter gehen muss? Denn das muss es. Irgendwie.

Haben die nix bes­se­res zu tun?

 

Neu­lich Abend, deut­lich nach 18 Uhr kurz vor der Wie­der­auf­nah­me des Prä­senz­un­ter­richts in Bay­ern. Eine Mail im pri­va­ten E‑Mail-Account poppt auf, die Schul­lei­tung mei­nes Soh­nes beschwert sich, wir hät­ten ihn nicht „recht­zei­tig“ für einen Besuch beim Arzt in der Ver­wal­tung abgeb­mel­det. Bit­te nächs­tes Mal dran den­ken! Die Krank­mel­dung hat­te ich heli­ko­pter­mut­ti-mäßig einen Tag vor dem nun ange­mahn­ten Ter­min bei der Ver­wal­tung per E‑Mail ein­ge­reicht. Wäh­rend Kin­der mit Schnup­fen und Hus­ten noch mor­gens am sel­ben Tag „recht­zei­tig“ laut Schul­ord­nung abge­mel­det wer­den kön­nen, schien das für unse­ren Sohn nicht zu gel­ten. Ärger stieg in mir hoch. Grund hier­für war nicht die Tat­sa­che, dass sich eine über­for­der­te Schul­lei­te­rin offen­bar gar nicht die Mühe machen woll­te, mal im Spam-Fil­ter nach­zu­schau­en oder die Klas­sen­leh­re­rin nach dem Ver­bleib einer ihrer Schü­ler nebst Krank­mel­dung zu fra­gen. Was bit­te schön treibt eine Direk­to­rin dazu an, nach Fei­er­abend auf Ter­min­treue zu pochen? Hat sie nicht genug mit Schnell­tests und Abstands­re­geln für den nahen­den Prä­senz­un­ter­richt zu tun? Haben Eltern nach Fei­er­abend nicht ande­re Sor­gen, als halt­lo­se Recht­zei­tig­keits-Debat­ten zu füh­ren? Ich fra­ge sie genau das. Eine Ant­wort ist bis heu­te aus­ge­blie­ben. Mög­li­cher­wei­se hat­te die Dame dann doch Wich­ti­ge­res zu tun. 

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Sau­er wer­den – solan­ge es hilft

Die durch Coro­na beding­te Gesamt­si­tua­ti­on geht nicht nur Eltern gehö­rig auf den Keks. Wäh­rend Mil­li­ar­den in zum Teil maro­de Unter­neh­men gepumpt wer­den, sitzt die Schü­ler­schaft bib­bernd am Fens­ter, da Luft­rei­ni­ger feh­len. Weil unein­sich­ti­ge Chefs auf Prä­senz­pflicht im Büro bestehen, anstatt ihre Mit­ar­bei­ter von zu Hau­se aus arbei­ten zu las­sen, ver­brei­tet sich das Virus unge­niert nicht nur auf dem Fir­men­flur, son­dern auch in öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln auf dem Weg dort­hin. Die coro­na-leid­ge­prüf­ten Bri­ten kön­nen dank ihrer beherz­ten Impf­stra­te­gie und eines stren­gen Lock­downs in Pubs und Restau­rants auf ihre wie­der­ge­won­ne­ne Mas­ken­frei­heit ansto­ßen. Schon über die Hälf­te der in Groß­bri­tan­ni­en leben­den Bevöl­ke­rung hat eine Impf­do­sis erhal­ten. Die deut­sche Nach­bar-Gas­tro­no­mie zit­tert hin­ge­gen um ihre Exis­tenz. Ja, es geht uns gut, aber es geht uns bes­ser, wenn wir uns über die Gemein­hei­ten die­ser Welt mal so rich­tig auf­re­gen dür­fen. Weil es befrei­end wirkt, wenn wir mal alle mög­li­chen Kraft­aus­drü­cke raus­las­sen, deren Gebrauch man Kin­dern im Rah­men einer guten Erzie­hung unter­sagt. Weil es ein­fach gut­tut, geräusch­voll mit der Faust auf den Tisch zu hau­en, zu meckern und zu flu­chen. Und manch­mal zeigt ein biss­chen Schimp­fen ja auch Wir­kung – Stich­wort Schul­lei­te­rin, die sich dann plötz­lich doch gesund­heits­för­dern­den Maß­nah­men widmet.

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Bei Schick­sals­schlä­gen bleibt nur die Demut

Letz­tes Jahr im Mai ver­starb mein Cou­sin, plötz­lich und uner­war­tet. Er wur­de nur 47 Jah­re alt. Gemein­sam mit sei­nem Part­ner Andre­as Olden­burg führ­te er ein sehr erfolg­rei­ches Archi­tek­tur­bü­ro in Lüne­burg. Unzäh­li­ge Trau­er­an­zei­gen zeu­gen von sei­ner gro­ßen Beliebt­heit, sei­nem sozia­len Enga­ge­ment und der Fas­sungs­lo­sig­keit, einen so lie­bens­wer­ten Men­schen nicht mehr in der Mit­te des Lebens zu wis­sen. Für mich war er wie der Bru­der, den ich neben mei­nen bei­den Schwes­tern nicht hat­te, mein Beglei­ter zu Land­ju­gend­bäl­len, mein Kin­der­schüt­zen-Köni­gin-Prinz. Auf sei­ner Hoch­zeit stell­te er mich als sei­ne „Lieb­lings­cou­si­ne“ vor, was zu gro­ßer Empö­rung unter den übri­gen, anwe­sen­den Cou­si­nen führ­te. Nur ein­mal gab es Streit zwi­schen uns. Gegen­stand der Aus­ein­an­der­set­zung war sein Name, wie er denn nun „in echt“ hei­ßen wür­de. Frank oder Fran­ki? Ich: „Du heißt Fran­ki.“ Er: „Nö, ich heiß Frank.“ „Fran­ki!“ „Nee. Frank!“ Nach eini­gem Hin und Her ende­te die Sze­ne­rie in Trä­nen mit einer kla­ren Nie­der­la­ge mei­ner­seits. Dür­fen wir ange­sichts sol­cher Schick­sals­schlä­ge also jam­mern über die Unge­rech­tig­kei­ten, die uns zu Coro­na-Zei­ten wider­fah­ren? Ja, unbe­dingt. Denn wenn es rich­tig hart kommt, hilft kein Gegen-die-Wand-Tre­ten und kein Toben. Uns blei­ben nur der demü­ti­ge Blick gen Him­mel, die Ker­ze unter einem lächeln­den Por­trät­bild und die lie­be­vol­le Erinnerun

Aktua­li­siert am: 22. Sep­tem­ber 2021

Titel­bild: Lucia Mace­do / uns­plash
Illus­tra­tio­nen: MicroO­ne / Ado­be Stock