Zahlen, bitte!
Was Ihre Mitarbeiter verdienen
Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen binden möchte, sollte sie fair und leistungsgerecht bezahlen und Perspektiven aufzeigen. Welche Gehälter sind in der Architektur- und Baubranche angemessen? Wir haben uns umgehört.
Von David Spoo
Der Arbeitgeberverband selbständiger Ingenieure und Architekten e. V. (ASIA), der die Interessen der Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber vertritt, hat mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen Rahmentarifvertrag für Ingenieur‑, Architektur- und Planungsbüros abgeschlossen. In der Gehaltsgruppe T 4/IA 1 finden sich technische Angestellte, Ingenieure und Architekten, „die gründliche Fachkenntnisse erfordernde schwierige Aufgaben nach allgemeiner Anleitung selbständig ausführen“. Das Jahresbruttogehalt beträgt für Berufseinsteiger 38.028 Euro, im fünften Jahr der Betriebszugehörigkeit erhöht es sich auf 44.628 Euro. Der Arbeitgeberverband Deutscher Architekten und Ingenieure e. V. (ADAI) vertritt die gemeinsamen Interessen von über 2.500 freiberuflichen Architekten und Ingenieuren. Der Partnerverband des Verbands Deutscher Architekten e. V. (VDA) erarbeitet jährlich eine unverbindliche Gehaltstarifempfehlung für Ingenieur‑, Architektur- und Planungsbüros. Sie soll einen Spielraum aufzeigen, denn Tarifverträge sind nach Ansicht des ADAI nicht die richtige Form für Freiberufler, die leistungsgerecht bezahlt werden sollten. Nicht erfasst werden die betreffenden Büros des Bauhaupt- und Nebengewerbes. Die im zuvor beschriebenen Tarifvertrag erläuterte Gruppe entspricht hier der Gruppe T4. Dort liegt das Einstieggehalt bei 37.452 Euro und steigt im fünften Jahr auf 43.932 Euro.
Euro Jahresbruttogehalt zahlen Arbeitgeber einem Berufseinsteiger gemäß einem Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband ASIA und ver.di, im fünften Jahr der Betriebszugehörigkeit erhöht es sich auf 44.628 Euro.
Euro brutto pro Jahr erhalten Berufseinsteiger, die über einen Masterabschluss verfügen und in Entgeltgruppe 13 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) eingestuft sind.
Ost-West-Unterschiede
Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sind Architekten und Bauingenieure, die über einen Masterabschluss verfügen, allgemein in Entgeltgruppe 13 eingestuft. Hier ist laut dem aktuell geltenden Tarifvertrag ein Bruttoeinstiegsgehalt von 48.684 Euro pro Jahr vorgesehen, bei einer fünfjährigen Betriebszugehörigkeit 57.096 Euro. Mitarbeiter, die einen Bachelor-Abschluss haben, sind meist der Entgeltgruppe 10 zugeordnet. Berufsanfänger erhalten hier 40.560 Euro jährlich, im fünften Jahr 47.568 Euro. Für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes gilt der Rahmentarifvertrag der drei Vertragsparteien Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. sowie der IG Bau. Für Absolventen mit Masterabschluss ergibt sich in den Gehaltsgruppe A VI ein Bruttojahreseinkommen von mindestens 52.452 Euro (West) sowie 49.716 Euro (Ost).
Im TVöD ist kein Urlaubsgeld verankert, jedoch eine Jahressonderzahlung, die meist zum Jahresende überwiesen und daher als Weihnachtsgeld bezeichnet wird. In Entgeltgruppe 10 beträgt die Sonderzahlung 70,28 % des Monatsbruttogehalts in Westdeutschland, 61,84 % in Ostdeutschland. Wesentlich geringer fällt sie in Entgeltgruppe 13 aus und liegt bei 51,78 % (West) und 45,56 % (Ost). Im kommenden Jahr sollen einheitliche Zahlungen auf Westniveau erreicht werden. Neben der jährlichen Sonderzuwendung kann sich das Grundgehalt auch um Familien- und Kinderzuschläge sowie vermögenswirksame Leistungen erhöhen. Der ASIA-Tarifvertrag enthält eine jährliche Sondervergütung, die entweder im Sommer oder im Winter fällig wird und je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit 30 bis 60 % des letzten Monatsgehalts ausmacht. Den Arbeitgebern wird in der ADAI-Empfehlung eine Staffelung von 40 bis 80 % des letzten Monatsgehalts entsprechend der Betriebszugehörigkeit von einem bis fünf Jahren empfohlen. So weit die nackten Zahlen. Wie aber sieht die Bezahlung in der Realität aus?
Foto: privat
Annette Hering, Geschäftsführerin der Hering Unternehmensgruppe mit Sitz in Burbach.
Leistung hat ihren Preis
„So billig wie möglich – das geht in der Baubranche nicht“, sagt Annette Hering im Gespräch mit jobLESE. Sie leitet die Hering Unternehmensgruppe mit Sitz im siegerländischen Burbach, die u. a. Bahnsteige, Lärmschutzwände und öffentliche WCs baut. Gut ein Fünftel der 560 Mitarbeiter sind Architekten, Bauingenieure und Techniker. „Wer gutes Personal gewinnen und halten will, der darf nicht nur die Kostenseite betrachten“, bekräftigt die Geschäftsführerin und schließt an, dass wirtschaftlicher Erfolg und gute Entlohnung zusammengehören. Mit einer übertariflichen Bezahlung und weiteren nicht selbstverständlichen Leistungen präsentiert sich die Unternehmensgruppe als attraktiver Arbeitgeber in der Region. Die Mitarbeiter erhalten Urlaubs- und Weihnachtsgeld, auch eine Gewinnbeteiligung gehört zur Unternehmenskultur. „Die Gewinnbeteiligung hat mein Vater 1971 eingeführt, bis heute haben wir rund 5 Mio. Euro ausgeschüttet“, berichtet Annette Hering. Es handelt sich quasi um einen stillen Teilhaberanteil, der vor seiner Auszahlung sechs Jahre gut verzinst liegen bleibt. Diejenigen Unternehmensbereiche, die stärker zum Gewinn beigetragen haben, werden entsprechend höher bedacht. Je nachdem, wie erfolgreich das Geschäftsjahr ausgefallen ist, können die Beträge zwischen 300 und 3.000 Euro liegen. Gern fördert die Unternehmensgruppe Weiterbildungsmaßnahmen. „Die Mitarbeiter können Karriere machen und bleiben bei uns – ein Gewinn für beide Seiten“, so die Geschäftsführerin. Ein weiteres Angebot, das die Unternehmensgruppe ihren Mitarbeitern macht, ist die Kooperation mit einem Fitnessstudio. Hering-Mitarbeiter müssen dort nur die Hälfte des üblichen Preises entrichten. Dass das Konzept der Unternehmensgruppe aufgeht, zeigt nicht zuletzt die geringe Fluktuation von 3,3 % im Jahr 2020.
„Bei einer pauschalen Versteuerung des Fahrkostenzuschusses hat der Arbeitgeber keine anteiligen Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten und der Arbeitnehmer fährt quasi netto.“
Motivierende Anreize
Ein Gehaltsaufschlag ist nicht zwingend das geeignete Mittel, um Mitarbeitern Wertschätzung zu zeigen und sie weiter zu motovieren. „Die hohe Sozialversicherungs- und Steuerlast führt dazu, dass jedes Mehr an Brutto entsprechend mit hohen Abschlägen bei dem Netto des Arbeitnehmers ankommt“, sagt der Steuerberater Hardy Freitag, der Kanzleien in Hannover und Münster unterhält. Hier lohnt der Blick auf bestimmte Ausnahmen. Die Geldprämien, Sachbezüge oder Bonusprogramme sind unter dem Begriff „Incentives“ vereint. Das bekannteste Instrument ist der Fahrtkostenzuschuss für die tägliche Fahrt mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Wohnort und Betrieb. „Bei einer pauschalen Versteuerung hat der Arbeitgeber keine anteiligen Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten und der Arbeitnehmer fährt quasi netto“, erläutert Freitag im jobLESE-Interview. Er nennt weitere Möglichkeiten, die Arbeitgebern zur Verfügung stehen. So können sie bei Anlässen wie Geburtstag, Taufe oder Hochzeit 60 Euro pro Monat steuerfrei verschenken. Unter bestimmten Voraussetzungen kann – unabhängig vom Urlaubsgeld – eine Erholungsbeihilfe für den Arbeitnehmer, den Ehepartner und den Nachwuchs gezahlt werden, die pauschal mit 25 % versteuert wird. 600 Euro jährlich können steuer- und versicherungsfrei in gesundheitsfördernde Maßnahmen fließen, sofern diese von der Krankenkasse genehmigt sind.
Freitag weiß, dass manche Arbeitgeber Incentives aufgrund des Mehraufwands in der Lohnabrechnung scheuen, er bezeichnet diesen Aufwand aber als überschaubar. Ganz einfach in der Handhabung sei inzwischen der monatliche Sachgutschein in Höhe von 44 Euro. In der Vergangenheit war ein Gutschein über ein bestimmtes Produkt mit einem bestimmten Preis auszuhändigen. Nun steht ein kreditkartenähnliches System zur Verfügung, auf das 44 Euro monatlich aufgeladen werden. Der Arbeitnehmer kann damit beispielsweise an der Tankstelle bezahlen. Auch die steuerfreien Essensgutscheine in Höhe von 6,57 Euro, die einen steuerfreien Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 3,10 Euro beinhalten, lassen sich neuerdings mit Hilfe einer App-Lösung ganz leicht in Restaurants, also nicht nur in der Firmenkantine nutzen. „Lohnenswert ist je nach Branche auch der Arbeitnehmerrabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro pro Jahr für Produkte und Dienstleistungen, die der Arbeitgeber selbst herstellt, vertreibt oder anbietet, und schließlich ist die Überlassung eines Firmenwagens ein sehr gutes Mittel, um Mitarbeiter an sich zu binden“, weiß Freitag. Dabei gelten die gesetzlichen Bestimmungen der 1-%-Regelung. Diesen Anteil des Listenneupreises des Fahrzeugs hat der Arbeitnehmer monatlich zu versteuern.
Homeoffice statt Stau
Vor allem in den Metropolen steigen die Wohnungsmieten unaufhörlich. In der eingangs erwähnten Gehaltsempfehlung des ADAI wird darauf mit zwei Ortsgruppen reagiert. Die genannten Gehaltssummen beziehen sich auf Ortsgruppe I für Unternehmen, die in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern ansässig sind. Den Unternehmen der einwohnerstärkeren Ortsgruppe II wird empfohlen, ihren Mitarbeitern rund 5 % mehr zu zahlen. In mancher Großstadt reicht dies allerdings nicht. „Der Gehaltsaufschlag für die höheren Lebenshaltungskosten in München dürfte allein schon etwa 10 bis 20 % des Jahresbruttogehalts ausmachen“, sagt Headhunterin Sabine Märten in einem Interview mit der „Immobilien Zeitung“, das die hohen Mieten und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der bayerischen Landeshauptstadt beleuchtet. Märten berichtet, dass selbst Bauingenieure mit einem Jahresbruttogehalt von 80.000 bis 100.000 Euro zunehmend weit außerhalb der Stadt wohnen.
Ältere Mitarbeiter haben sich an tägliche Staus gewöhnt und dass sich der tägliche Zeitaufwand aufgrund der Fahrstrecke schnell um 20 % erhöhen kann. Viele junge Mitarbeiter aber streben nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Wer Wert auf seine Freizeit, Kultur oder sportliche Betätigung legt, der lässt sich nicht mit der Aussicht auf verschwendete Lebenszeit im Auto locken. Unternehmen können ihren Mitarbeitern entgegenkommen, indem sie prüfen, inwieweit die Tätigkeit – zumindest teilweise – im Homeoffice ausgeführt werden kann. In den Niederlanden haben Angestellte seit 2015 einen Rechtsanspruch auf das Arbeiten in den eigenen vier Wänden, viele Angestellte arbeiten generell zwei Mal wöchentlich im Homeoffice. So weit ist Deutschland bei weitem nicht. Hier ist das Thema erst durch die Corona-Pandemie in den Blickpunkt geraten. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Tagespauschale von 5 Euro zur Abfederung der Kosten reicht nach Ansicht von Steuerberater Freitag nicht aus. In den Bereichen, in denen Workflow und Homeoffice harmonieren, können Unternehmen ihre Attraktivität für neue Mitarbeiter durch entsprechende Angebote sicher deutlich steigern.
Titelbild: moerschy / pixabay
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